Theodor-Heuss-Gymnasium, Göttingen

Verdeckt, versteckt, vergessen? Jüdische Friedhöfe in und um Göttingen


In diesem Projekt geht es um den gegen Ende des 17. Jahrhunderts angelegten Jüdischen Friedhof Göttingen, heute Teil des Stadtfriedhofs, und um den nur wenig älteren Jüdischen Friedhof im nördlich gelegenen Bovenden. Die Göttinger Anlage ist das einzige Zeugnis jüdischen Lebens in der Stadt, das die Zeit des Nationalsozialismus überdauert hat. Sie wird seit 2021 saniert. Der Friedhof auf dem Lohberg in Bovenden wurde 2012-14 gerodet, seine Einfassung wiederhergestellt und einzelne Grabsteine gesichert. Auf beiden Friedhöfen sind Grabmale umgestürzt oder nicht mehr standfest, Inschriften verwittert oder von Moos überwuchert.
Im Geschichts- und im Chemieunterricht beschäftigen sich Schülerinnen und Schüler der zehnten Klasse mit dem Erhaltungszustand dieser Anlagen und ihrer Grabmale. Unterstützt durch das Geisteswissenschaftliche Schülerlabor der Universität Göttingen YLAB versuchen sie, Grabsteine zu entziffern und mit den Namen der Verstorbenen Hinweise auf die jüdische Geschichte der Region zu erhalten. Sie untersuchen die Grabmale zugleich auf schädigende Umwelteinflüsse, die u.a. die Lesbarkeit dieser steinernen Zeugnisse erschweren, und überlegen, wie Schäden an den Grabsteinen vermieden werden können beziehungsweise wie mit schon entstandenen umzugehen ist. Bei all dem bewegen sich die Jugendlichen in einem Geflecht aus praktischer Arbeit, wissenschaftlicher Erforschung und gelebter Erinnerungskultur. Da Arbeiten an den Grabanlagen mit der jüdischen Gemeinde abzustimmen sind, erhalten die Schülerinnen und Schüler lebensnahe Einblicke in die Erhaltungsgrundsätze, die für diesen Bereich des kulturellen Erbes gelten. Zum Abschluss des Projekts entsteht schließlich in einer Projektwoche eine Online-Dokumentation der Arbeitsergebnisse in Form eines digitalen Rundgangs.

Der Jüdische Friedhof in Bovenden wurde 2012-14 mit Förderung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz instandgesetzt.

Ein denkmal aktiv-Projekt mit Förderung durch:
Deutsche Bundesstiftung Umwelt
YLAB - Geisteswissenschaftliches Schülerlabor der Universität Göttingen; Arbeitsstelle Deutsche Inschriften des Mittelalters und der frühen Neuzeit; Steinheim-Institut für deutsch-jüdische Geschichte an der Universität Duisburg-Essen; Jüdische Gemeinde Hannover
Geschichte, Chemie
Sek. I, Jg. 10

Dokumentation

Der Projekt­lei­ter:

„Bei Exkur­sio­nen zu beiden jüdischen Fried­hö­fen haben die Kurse unter­schied­li­che Verhal­tens­wei­sen von Stein bei verschie­de­nen Witte­rungs­ein­flüs­sen beobach­tet und erste Schritte in der Trans­li­te­ra­tion von Grabin­schrif­ten unter­nom­men. Im Fach Chemie wurden vor allem Reaktio­nen von Materia­lien auf Umwelt­ein­flüsse, wie etwa chemi­sche Prozesse in der anorga­ni­schen Chemie, behan­delt. Dies wurde durch physi­ka­li­sche Phäno­mene wie Frost­schä­den ergänzt. Der Geschichts­kurs lernte Hilfs­mit­tel kennen, mit denen Grabin­schrif­ten besser lesbar sind, beispiels­weise das Benet­zen mit Wasser oder die Anwen­dung von Schlag­licht. Diese prakti­schen Erleb­nisse haben das theore­ti­sche Wissen der Jugend­li­chen berei­chert und ihre Fähig­kei­ten in der histo­ri­schen Feldar­beit gestärkt. Beson­ders inter­es­sant fanden sie das jüdische Leben und die jüdische Kultur im 18. und 19. Jahrhun­dert. Die Vielfalt und die Diver­si­tät jüdischer Kultur als integra­ler Bestand­teil der deutschen Geschichte waren den Schüle­rin­nen und Schülern vorher nicht bewusst.

Das betei­ligte Schüler­la­bor YLAB vermit­telte wertvolle Kontakte zu Fachleu­ten im Bereich Inschrif­ten. Außer­schu­li­sche Kontakte, insbe­son­dere zum Steinheim- Insti­tut und zu Lokal­his­to­ri­kern, die sich inten­siv mit der Geschichte der jüdischen Gemeinde befasst haben, erwie­sen sich als beson­ders hilfreich. Auch der Kontakt zur jüdischen Gemeinde war äußerst berei­chernd. Die gewon­ne­nen Einsich­ten haben das Inter­esse der Lernen­den an der jüdischen Geschichte verstärkt und ihre Wertschät­zung für das kultu­relle Erbe geför­dert.

Im Rahmen einer Projekt­wo­che zum Ende des Schul­jah­res wird nun ein digita­ler Rundgang erarbei­tet und mit den Recher­che­er­geb­nis­sen angerei­chert. Zu Beginn der Sommer­fe­rien ist das Projekt dann online und macht die Forschungs­er­geb­nisse einem breite­ren Publi­kum zugäng­lich.“